Legenden und Wahrheiten aus Böhmerheide III
Das Böhmerlehn
Durch die Jahrhunderte der Zeitgeschichte hat sich eine Sage bis in unsere 
 heutigen Tage überliefert, wie die Bohm's zu der Belehnung der großen Land- 
 flächen zwischen den Gemeinden Zerpenschleuse, Hammer, Groß Schönebeck 
 und Liebenthal gekommen sind. Diese Sage ist mehrfach in verschiedene 
 Zeitepochen gelegt worden, ohne auf den historischen Bezug der ersten urkund- 
 lichen Erwähnung zurückzugreifen. Der Kern der Sage blieb jedoch erhalten 
 und soll hier in einfacher Form wiedergegeben werden. Zuvor jedoch der 
 Originaltext der ersten urkundlichen Belehnung (Belehnung bedeutet: Leihen 
 oder Leihgabe) durch den Ritter Hans von Waldow aus dem Jahre 1444: 
Aber lassen wir nun die Sage sprechen:
Ein sonniger, heiterer Oktobertag war es, an dem der Markgraf von Brandenburg 
 mit hohen Waidgenossen in den schon zu Zeiten der Askanier weit und breit 
 berühmten Jagdgründen der großen Heide der Hetze auf Hoch-und Niederwild 
 nachging. Kaum begann die Sonne im Osten die Nacht zu verdrängen, war die 
 Jagdgesellschaft, an ihrer Spitze unser Markgraf, wie immer mit Bogen, Köcher, 
 Speer und dem langen Hirschfänger, von der alten Burg Grimnitz aufgebrochen. 
 Beim Ertönen der Jagdhörner und dem Kläffen der Jagdhunde kam in den 
 Teilnehmern das Jagdfieber hoch, die den Zug begleiteten. Bald war die kleine 
 märkische Burg hinter ihnen, als die Meute die Spur eines Bewohners der 
 uralten Forst aufgenommen hatte. Hell durchklang der Ton der Hörner und das 
 wilde Gebell der Hunde das Dickicht des Waldes. 
Schon war die Mittagsstunde überschritten und der Markgraf hatte immer noch 
 nicht seinen Jagddurst an einem kapitalen Hirsch, Bären oder Keiler stillen 
 können. Wie der Monat Oktober sich in seinem Wetter sehr veränderlich zeigt, 
 so bezog sich auch an diesem Tag in der dritten Stunde des Nachmittags der 
 Himmel mit trüben, grauen Regenwolken. 
Der alles verdeckende Nebel legte seinen Schleier über die endlosen Weiten der 
 Schorfheide. Wut durchzog den Markgrafen, was war er für ein Landesvater in 
 den Augen seiner Untertanen, wenn er, der Fürst von Gottes Gnaden, ohne 
 seinen Speer in den Körper eines wilden Tieres gebohrt zu haben, vor sie treten 
 mußte. Alle Vernunft und Vorsicht vergessend, jagte er seine Sporen in die 
 Flanken seines treuen Rappen und suchte so noch das Jagdglück zu erhaschen. 
 Hubertus, der Schutzpatron der Jäger, hielt heute nicht seine führende Hand 
 über diesen einsamen Jäger. 
Das Jagdgefolge, schon in den frühen Nachmittagsstunden abgekämpft und 
 ermüdet zurückgeblieben, konnte seinem Herrn nicht mehr folgen. Auf allen 
 Wegen wurden Posten zurückgelassen, um dem Markgrafen zur Hilfe eilen zu 
 können, wenn er den Heimweg suchen sollte. Denn damals gab es noch keine 
 Wegweiser oder befestigte Straßen; hier führte ein Weg entlang und dort zog 
 sich ein weiterer entlang und nur die Einheimischen wußten, wohin diese 
 führten. 
Bald senkte sich tiefschwarze Nacht über die große Heide. Der hohe Herr sah 
 sich allein, keine Spur von dem Wild, kein Hörnerklang war mehr zu verneh- 
 men. Wo war das Gefolge? So oft er auch in sein Jagdhorn blies, niemand 
 antwortete ihm. Wo war der Weg zur sicheren Burg? Selbst seine hilfesuchen- 
 den Rufe verklangen zwischen den mächtigen Eichen- und Buchenhainen. 
 Niemand würde ihn bei diesem Nebel und der Dunkelheit suchen können. Schon 
 mehrere Stunden hatte der Markgraf in schwellendem Moos und hohem Herbst- 
 laub seinen Weg gesucht, mehr als einmal war er über Baumwurzeln und am 
 Boden liegendem Geäst gefallen. Sein Jagdgewand war an mehreren Stellen 
 zerrissen und er selbst bis auf die Haut durchnäßt. 
Da endlich sieht er zwischen den Stämmen hindurch ein Licht schimmern. 
 Erfreut darüber, schreitet er demselben zu, in der Hoffnung, endlich den Weg 
 zu einem sicheren Dorf gefunden zu haben. Doch nicht ein erleuchtetes Fenster 
 im Dorf war es was er sah, sondern ein glühender Kohlenmeiler, der durch die 
 Rasenstücken kleine Flammen züngeln ließ. Er war auf die Köhler aus Groß 
 Schönebeck gestoßen, die sich bereits in der abseits stehenden, halbverfallenen 
 Hütte zur Nachtruhe gelegt hatten. Durch das Anschlagen ihrer Hunde erwacht, 
 beäugten sie den Fremden, den sie noch nie gesehen hatten äußerst mißtrauisch, 
 denn zu ihnen hatte sich noch niemand verlaufen. 
Der Markgraf war an die Stelle der Heide gelangt, die sich im Barnim so 
 ziemlich in der Mitte zwischen Liebenwalde und Groß Schönebeck hinzog. Hier 
 pflegten die Bohm's als Köhler ihre Meiler abzubrennen, hierher war der 
 Markgraf mit seinem Gefolge noch nie gekommen. Der hohe Herr, denn ein 
 solcher mußte es sein, wie die Bohm's aus seiner zwar zerrissenen, doch teuren 
 Kleidung und seiner Haltung schlossen, fragte, ob ihm der nächste Weg nach 
 der Burg gezeigt werden könne. "Mehr als zwei Stunden entfernt liegt die Burg 
 und der Weg geht von hier aus nur auf einem Fußpfad, der oft so große 
 Krümmungen hat, daß man bei der großen Finsternis diesen bald verfehlen 
 würde ", antworteten die Bewohner der großen Heide. 
Sie boten dem Fremdling an, die Nacht in ihrer bescheidenen, aber sicheren 
 Hütte zu verbringen. Der Markgraf bekam ein wenig Angst, als er sich im 
 Fackelschein die überaus großen und kräftigen Gestalten näher ansah. Ein 
 Blick in die Augen der geschwärzten Leute gab ihm jedoch Zuversicht, es waren 
 die Augen treuer, märkischer Untertanen, nicht solcher, wie die der Quit- 
 zow'schen Anhänger, die der Markgraf in dieser unruhigen Zeit in die Schran- 
 ken zu weisen hatte. 
Kurz entschlossen, erklärte er sich bereit, bei ihnen bleiben zu wollen, sagte 
 ihnen aber auch, daß sie eine große Verantwortung auf sich nehmen würden, 
 wenn ihm ein Leid zugefügt werde. Mit den Worten: "Denn ich bin Euer 
 Landesfürst" , gab er sich zu erkennen. Die Köhler fielen vor ihm auf die Knie 
 und gelobten, mit ihrem Leben für die Sicherheit des allergnädigsten Landes- 
 herrn einzutreten. Nach einem Abendgebet, das mit der Bitte um Schutz für die 
 Nacht schloß, legte sich Brandenburgs Markgraf in der Köhlerhütte der Bohm's 
 zur Ruhe. Die Köhler aber schlossen während der Nacht kein Auge. Mit 
 wuchtigen Enden aus Eichenholz in den Händen standen die markigen Gestalten 
 am Eingang ihrer Hütte und behüteten die Ruhe und das Leben ihres Herrn. 
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Als sich am anderen Morgen bei herrlichem Wetter der Markgraf in ihrer
Begleitung auf den Heimweg begeben wollte, sagte er den Bohm's einen 
 Wunsch für ihre treuen Dienste zu. Nach langem Zögern äußerten sie: "Gern 
 hätten wir auf die Löhnung verzichtet, aber wollt ihr uns zu Gunsten sein, so 
 wollen wir einen Wunsch an euch richten. Gebt uns etwas Land." Der hohe Herr 
 erwiderte: "Ihr habt bereits mein Wort,ihr sollt soviel Land euer eigen nennen, 
 wie ihr an einem Tag mit einem Ochsen von Sonnenaufgang bis Sonnenunter- 
 gang umzupflügen vermögt. Zinsfrei soll es sein immerfort, ein männlich Lehn 
 bis eures Stammes Ende. " 
Und so zogen die Bohm's mit einem Ochsen und einem hölzernen Pflug, der 
 mehrmals in dem Waldboden zu zerbrechen drohte, eine Furche um ein Gebiet, 
 das wir heute als Böhmerheide kennen. Der Markgraf erkannte bald, daß sie 
 sich wohl etwas mißverstanden hatten. Er dachte beim Pflügen, daß Furche an 
 Furche liegt und nicht daran, daß die Bohm's einen großen Bereich umpflügen 
 würden. Er hielt aber sein gegebenes Wort und begründete damit ein fast 500 
 Jahre andauerndes Lehngutsgeschlecht. 
Damit endet die Sage von dem Böhmerlehen. Eine andere, ähnliche Version, in 
 Gedichtform niedergeschrieben, legt das Ereignis der Belehnung in die Zeit des 
Kurfürsten Sigismund, der von 1608 bis 1619 regierte. Damals soll ein Jacob 
 Bohm als erster das Lehn empfangen haben.