Annette Flade und Karin Friedrich für ihr ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet

Geschrieben von Rainer Klemke am . Veröffentlicht in Willkommensteam Groß Schönebeck

Schorfheide-Bürgermeister Uwe Schoknecht hat am 13. November 2015 auf Vorschlag des Ortsbeirates und des Bürgervereins Groß Schönebeck/Schorfheide Annette Flade und Karin Friedrich für ihr Engagment beim Willkommensteam des Bürgervereins ausgezeichnet.

Annette Flade, Pfarrerin i.R., wurde für ihr Engagement in zahlreichen Projekten ausgezeichnet. Unter anderem gründete sie eine Demenzhilfegruppe in Groß Schönebeck, ist Mitbegründerin der Bürgerliste WIR für Groß Schönebeck und aktive Mitarbeiterin im Bürgerverein. Darüber hinaus gehört sie zu den Initiatoren der Willkommensinitiative des Bürgervereins in Groß Schönebeck und in letzter Zeit auch Flüchtlingskordinatorin im evangelischen Kirchenkreis Barnim. Mit dem Eine-Welt-Landen „Solidario“ holte Annette Flade den fairen Handel nach Groß Schönebeck, der von seiner Zielsetzung, den Menschen in der Dritten Welt die Möglichkeit zu geben, über faire Preise für ihre Arbeit in ihrer Heimat leben zu können, auch einen Beitrag dafür darstellt, Fluchten erst gar nicht notwendig zu machen.

Annette Flade ist seit langer Zeit - schon vor der Versetzung Ihres Mannes nach Groß Schönebeck - in der Betreuung von Flüchtlingen tätig. In Ihrer Potsdamer Zeit ging ihr Kampf gegen Unrecht und Verfolgung in der DDR im Rahmen der Friedlichen Revolution geradezu bruchlos in den Einsatz für die Anfang der Neunziger Jahre nach Deutschland und auch nach Brandenburg strömenden Kriegsflüchlinge aus dem auseinandergebrochenen Jugoslawien über. Ihre damalige Leistung wurde bereits mit dem Verdienstorden des Landes Brandenburg gewürdigt.

Als ein überaus empathischer Mensch bereitet ihr menschliches Leid und das den Menschen angetane Unrecht geradezu körperliche Schmerzen. Ihre Anteilnahme und Bereitschaft zur Zuwendung ist nicht aufgesetzt, sondern gelebt. "Geht dem Flüchtling mit Brot entgegen" ist denn auch der Titel des Buches, in dem sie 2006 ihre Geschichten und Erfahrungen aus neun Jahren Ausländerseelsorge im Kirchenkreis Potsdam niedergeschrieben hat - und die sind erschreckend aktuell. Die Ereignisse in Nahen Osten, der Bürgerkrieg in Syrien und die Fluchtbewegung aus den zerstörten Städten und Dörfern aus den trost- und hoffnungslosen, schlecht versorgten Massenlagern in den Nachbarländern der Kriegsschauplätze nach Europa haben sie erneut bewegt, in ihrer neuen Heimat Groß Schönebeck anzupacken. Der Mensch ist so lange ein Fremder, bis man ihn kennenlernt. Dieser Wahlspruch des Groß Schönebecker Willkommensteams ist für sie Programm.

Trotz allen Erfahrungen aus den Neunziger Jahren stand sie immer wieder sprachlos vor den zahllosen bürokratischen und sonstigen Hürden, die sich bei der Aufnahme und Betreuung von Kriegsflüchtlingen in einem Schorfheidedorf zeigten, aber sie ließ sich nicht entmutigen.  Dass es heute eine ambulante Sozialbetreuung in den Dörfern im Barnim gibt, ist nicht zuletzt den hartnäckigen Forderungen des Groß Schönebecker Willkomemnsteams geschuldet. Mit einem wachsenden Kreis von AktivistInnnen (zumeist Frauen aus Groß Schönebeck, Schluft, Klandorf und Böhmerheide) und weiteren Unterstützern machte sie sich daran, das Dorf auf die Ankunft der Flüchtlinge vorzubereiten, kümmerte sich um Wohnung, Kita, Schule, um die Gänge und begleiteten Fahrten zu den Behörden in Eberswalde und Eisenhüttenstadt, um ärztliche Betreuung bis nach Bernau und Berlin, um die Ausstattung der Flüchtlinge mit Haushaltswaren, Kleidung und Fahrrädern, um die Etablierung eines Deutschunterrichtes vor Ort im Dorf und auch für die Frauen, um eine Versorgung mit Lebensmitteln über die (Wieder-)Etablierung einer TAFEL, um die Einbeziehung der Neubürger in das Dorfleben und die dörflichen Feste.

Sie verhinderte u.a. eine schon angesetzte Abschiebung, intervenierte bis hinauf zu den Behördenspitzen, organisierte Familienzusammenführungen, leistete Seelorge in verzweifelten Situationen, war und ist Motor und zentrale Ansprechpartnerin der Patinnen der Familien wie auch für jeden der Neubürger. Dabei war und ist sie kämpferisch bis zur eigenen Erschöpfung, nervig und auch unbequem für alle, die sich nicht bewegen wollen - und deshalb so erfolgreich.

Annette Flade hat nicht nicht herausragendes für die Neubürger getan. Sie ist eine Menschenfängerin, die so viele Menschen dazu bewegt hat, sich zu engagieren - und bei der Stange zu bleiben, wo andere längst aufgegeben hätten. Sie hat auch etwas sehr wertvolles für das dörfliche Gemeinswesen in Gang gebracht. Im Zusammenwirken mit dem Bürgerverein hat sie Menschen zusammengebracht und hinter einem Thema versammelt, die sich sonst nur mal flüchtig in der Kaufhalle treffen und nun einander kennen- und schätzen gelernt haben. Sie hat mit ihrem Elan andere angesteckt, Talente in sich zu entdecken und einzusetzen wie z.B. bei Karin Friedrich, von denen sie z.t. vorher selbst nicht wussten, dass sie über solche verfügen.

Annette Flade und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter beim Bürgerverein haben etwas ins Rollen gebracht, haben eine Kultur der Anteilnahme und des Anpackens in Groß Schönebeck und den Nachbardörfern befördert, die immer neue Ideen und Initiativen hervorbringt, wie z.B. die Ergänzung der TAFEL durch ein REGAL, bei dem Bedürftige des Ortes Haushaltswaren, Möbel und Kleidung kostenlos abholen können oder wie die neue Initiative zur ehrenamtlichen Begleitung von Alten und Kranken zu Ärzten und Behörden oder bei Antragstellungen. Insofern gebührt Annette Flade nicht nur außerordentlicher Dank für ihren persönlichen Einsatz im Ehrenamt, sondern vor allem auch durch ihre Anstiftung Dritter, sich ehrenamtlich zu engagieren als ein überaus motivierendes Vorbild.

Allerdings steht die größte Herausforderung nun noch vor ihr: Sie muss noch, wenn Pfarrer Stephan Flade im Sommer in den Ruhestand geht und sich das Ehepaar aus Groß Schönebeck verabschiedet, eine Nachfolge für ihre Arbeit finden, die bereit und in der Lage ist, in diese großen Fußspuren zu treten. Es ist zu wünschen und hoffen, dass ihr auch dieses gelingt und die wunderbare Arbeit auch in Zukunft einen Motor und ein Zentrum findet, damit die Saat, die sie gelegt hat, auch weiterhin für das Gemeinwesen Früchte tragen kann.

Karin Friedrich ist Rentnerin und kommt nicht aus der Pädagogik, sondern hat früher im Büro gearbeitet.
Seit über einem halben Jahr betreut sie den Deutschunterricht mit unseren Neubürgern aus Syrien, Tschetschenien und Pakistan. Dabei arbeitet sie wie eine kleine Grundschule mit einem Publikum höchst unterschiedlicher Leistungsstufen, weil immer wieder neue dazukommen, die zudem eine sehr unterschiedliche Leistungsbereitschaft und - fähigkeit haben. Sie hat ebenso verblüffend einfache wie wirksame Unterrichtsmaterialien selbst entwickelt bzw. aus dem Flüchtlingsnetzwerk gezogen und eingesetzt. So  z.B. ein BINGO mit Zahlen und Begriffen, das die "Schüler" mit großer Begeisterung spielen und dabei spielerisch lernen. Sie plant bereits mit Hilfe der neu beschafften Hardware einen audiovisuell gestützten Unterricht, der die spielerischen Elemente aufnimmt und weiterführt. Mit ihren Mitteln hat sie einzelne Teilnehmer schon so fit gemacht, um an weiterführenden VHS Kursen teilzunehmen.

Karin Friedrich unterrichtet an drei Vormittagen im Bürgerhaus und wird dabei durch von ihr angeleiteten "TutorInnen" unterstützt. Daneben unterrichtet sie mittlerweile auch zweimal in der Woche Teilungsstunden zum regulären Schulunterricht in der Schule und organisiert Schularbeitshilfe in den Wohnungen der Familien durch Patinnen und andere Helfer sowie bei sich selbst in der Wohnung.

Durch ihren engen Sprachkontakt mit ihren großen und kleinen Schülerinnen und Schülern ist Karin Friedrich zugleich auch Mittler von Nachrichten und Informationen an ihre Schützlinge, so dass vieles an Kommunikation über sie läuft, auch die Planung und Antragstellung von gemeinsamen Projekten wie die kulinarischen Reisen oder das neue Begegnungscafé im Bürgerhaus.

Durch ihr außerordentliches breit angelegtes Engagement ist Frau Friedrich eine zentrale Stütze der Arbeit des Willkommensteams des Bürgervereins.

In den Jahren zuvor wurden von der Gemeinde Schorfheide bereits Bernd Mehlitz und Rainer E. Klemke für ihr ehrenamtliches Engagement für Groß Schönebeck ausgezeichnet.