Brandwache in Groß Schönebeck

Geschrieben von Rainer Klemke am . Veröffentlicht in Geschichte

Groß Schönebeck war seit den Brandschatzungen im 30jährigen Krieg immer wieder Schauplatz großer Brände. Der sommerlich trockene Wald rund um den Ort, Blitzschlag und auch der Funkenflug der Holzheizung waren Gefahrenquellen, die viele Häuser in Flammen aufgehen ließen. Außerdem brannten häufig die selbstgebauten Ställe, da es üblich war, die Asche auf den Mist zu kippen.

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Die 1903 gegründete Freiwillige Feuerwehrtruppe von Groß Schönebeck auf einem Foto von1906:

1. R.v.l.: Carl Wreh (Gastwirt), Albert Fischer (Malermeister), Gottlieb Grassow (Bauer), Rudolf Schröder (Klempner), Karl Henne,?, Fritz Keil, 2. R. v.l.: ?, Paul Gerhard (Stellmachermeister), Gustav Foederer, Wilhelm Bohm, Daesler, Emil Peter, Hermann Eßling, August Brüning, Rudolf Gerhard, Heinrich Suchrow (Arbeiter), 3. R. v.l.: Johannes Maaß (Drogist), Paul Zeumer (Gastwirt), Paul Gerber (Landwirt), Georg Liepner (Gastwirt), Hermann Schröder (Zimmerermeister), Wilhelm Pete (Landwirt)r, Ferdinand Graef, Fritz Leeske (Bauer), Paul Müller

 

Dies führte einerseits dazu, dass Anfang des 19. Jahrhunderts nach einem schrecklichen Brand eine Aussiedlung vieler Bewohner nach Klandorf eingeleitet wurde – um zwischen den Häusern im Ort einen Sicherheitsabstand zu bekommen, andererseits zu einer ständigen Brandwache, die nachts von einem Nachtwächter übernommen wurde. Dieser musste in regelmäßigen Runden das Dorf abschreiten und nach dem Rechten sehen und ansonsten auf dem Lindenplatz in seinem Wachhäuschen Wache halten. Sobald der Nachtwächter ein Feuer entdeckte, hatte er in sein Horn zu stoßen und durch Rufen die Einwohner zu wecken. Dann musste der Küster auf den Kirchturm steigen und so lange die kleine Glocke läuten, bis das Feuer gelöscht und keine Gefahr mehr bestand. Alle Einwohner hatten sich gleichzeitig mit allen Gefäßen, in der Regel waren es hölzerne Eimer, an den Brunnen einzufinden, um in einer Kette mit Wasser gefüllte Eimer zur Brandstelle durchzureichen und ständig den Wasserkasten der Spritze nachzufüllen. Bei Gewitter hatte man sich sofort nach Hause zu begeben, um bei einem möglichen Blitzeinschlag zum Löschen zur Verfügung zu stehen.

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Feuerwehrübung am Gasthof Liepner

Mehr über die Brandbekämpfung in Groß Schönebeck und die Geschichte der Feuewehr findet sich in der Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr „Wasser marsch!“ von Helmut Suter.

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Kleine Feuerglocke im Kirchturm von Groß Schönebeck

Der bekannteste der Schönebecker Gemeindediener, Nachtwächter und Ausrufer war vor dem ersten Weltkrieg der „dicke“ Fritz Miersch. Mit seinen 150 kg Lebendgewicht war er eine überaus eindrucksvolle Persönlichkeit, aber auch ein Gegenstand zahlreicher Streiche der Dorfjugend. Nach einer „Hochzeitsvisitation“ soll er eines Abends in seinem Schilderhaus stehend eingeschlafen sein. In der Feuerwehrchronik von Helmut Suter wird darauf hingewiesen, dass sich der Feuerwächter „Sonntags in Krügen und Wirtshäusern, wo Hochzeiten, Kindelbier oder andere Lustbarkeiten sind, auch wo stark gebrand und Branntwein gebrannt wird, sich fleißig sehen zu lassen“ hatte. Da kam dann schon das eine oder andere Gläschen oder auch der eine oder andere Humpen in die Kehle des Nachtwächters zur Löschung des inneren Brandes. Fritz Miersch muss so von Speis und vor allem Trank mitgenommen gewesen sein, dass böse Buben die Vorderseite des Schilderhauses zunageln konnten, ohne dass dabei erwachte. So konnte er erst am frühen Morgen befreit werden. Andere erzählen, dass er schwer angeheitert nach seinem Rundgang eingeschlafen war und ihn die Dorfjugend mitsamt seinem Schilderhaus umkippte. Da das Haus mit der Öffnung nach vorn am Boden lag, konnte sich Miersch angesichts seines Eigengewichtes nicht selbst befreien und musste auch hier bis zum Morgen ausharren.

Miersch zog um abends durch das Dorf und sang die Zeit aus: „Liebe Leute lasst Euch sagen, unsere Uhr hat 10 geschlagen. 10 Gebote setzt Gott ein, dass wir soll’n gehorsam sein.“ Er hatte auch das Amt des Ausrufers, der die Bekanntmachungen der Gemeinde zu verkünden hatte. Die Kinder wurden nach draußen geschickt, um zu hören, was es Neues gab. Manche hatten Scheu vor der lauten Stimme und horchten lieber hinter der Tür. Gab es eine Versammlung oder Veranstaltung in einer der zahlreichen Gaststätten des Ortes, wartete Fritz Miersch, bis alle nach Hause gefunden hatten und löschte dann das Straßenlicht.

Als Gemeindediener war er auch für den Friedhof zuständig und pflegte das Kriegerdenkmal auf dem Lindenplatz. Angesichts seiner nächtlichen Dienste war er dabei gelegentlich sehr müde, so dass es ihn hinter die Fliederhecke zog. Dort entschlummerte er nach einem tiefen Schluck aus seiner Gießkanne selig und das war wegen seines nachhaltigen Schnarchens über mehrere Gehöfte hinweg zu hören.


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