Ortsteil Böhmerheide

Legenden und Wahrheiten aus Böhmerheide II

Geschrieben von Helmut Suter am . Veröffentlicht in Ortsteil Böhmerheide

Die Bohms als Köhler in der Schorfheide

Im frühen Mittelalter war die Kohle ein noch unbekannter Rohstoff sowie alle
aus ihr produ
zierten Nebenprodukte, wie wir sie heute kennen.Was damals in
unserem holzreich
en Gebiet hergestellt wurde, um in Dorfschmieden oder
Töp
fereien hohe Temperaturen zu erreichen, kennen wir nur noch von den sehr
beliebten Grill
abenden her, gemeint ist die Holzkohle.

Vor rund 600 - 700 Jahren erwarben mehrere Familien in der großen Heide, auch
"Magna meric
a" genannt, ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung von Holz-
kohle und dem al
s Nebenprodukt anfallenden Pech. Beide Produkte waren sehr
begehrt und fanden überall ihren Absatz, die Holzkohle, wie schon erw
ähnt, in
Schmieden und Töpferei
en und das Pech in all den Bereichen, wo geschmiert
und abgedichtet werden mußte
. Damals hatte jedes Pferde- und Ochsengespann
einen Pechnapf am W
agen zu hängen, um bei heißgelaufenen Achsen diese
schmieren zu können, aber auch im Schiffs- und Kahnbau wurde Pech benötigt.

Einer dieser Standorte der Holzkohleherstellung - eine Köhlerei - war das
Gebiet um Böhmerheide. Hätte der heutige Besucher damals die Gelegenheit
'
gehabt, vom Kirchturm der Gemeinde Groß Schönebeck seinen Blick über die
Weiten der Schorfheide schweifen lassen zu können, so hätte er bei Klandorf,
am Treptow-See oder in der Gegend des Lotzinsees kleine Rauchschwaden der
Kohlenmeiler sehen können. Aus großen, aufgeschichteten Holzscheiten, die
nach einem ganz genauen Plan gestapelt und zum Schluß von außen mit
Grasballen und Sand abgedichtet wurden, entstand in einem Schwelbrandpro-
zeß Holzkohle. Nur an einzelnen Stellen konnte unten durch Öffnungen Luft
eindringen und oben der Rauch abziehen. Auf keinen Fall durfte zuviel Luft in
den Meiler dringen, denn dann bestand die Gefahr, daß der Meiler Feuer fing,
sich die im Inneren befindlichen Holzgase entzündeten und es zu einer Explo-
sion kam. Die Arbeit von Wochen war dann vernichtet.

Die Köhler - wie sie sich nannten - lebten damals meist mitten im Wald, in
unmittelbarer Nähe ihrer Meiler, ganz auf sich allein gestellt. Die meisten
hausten dort mehr, als daß sie wohnten, denn waren die Baumbestände um ihre
Meiler gelichtet, zogen sie ein Stück weiter und errichteten sich eine neue
Behausung. Von den angrenzenden wenigen Dorfgemeinschaften wurden sie

wegen ihres heruntergekommenen Aussehens meist gemieden, obwohl die
Landbevölkerung zu dieser Zeit auch nicht gerade beneidenswert schön, auf-
grund der herrschenden Armut, aussah. Den Köhlern wurden auch mystische
Verbindungen zu den Geistern der Wälder nachgesagt.

Nach diesem kleinen Einblick in den Berufsstand der Köhler wollen wir uns mit
einer ganz bestimmten Familie näher beschäftigen, die durch für sie glückliche
Umstände aus ihrem sehr armseligen Dasein herausgekommen ist. Sie nannten
sich "Baum", als sie erstmals im Jahre 1444 urkundlich im Gebiet der Schorfhei-
de erwähnt wurden. Später wurde für unser Gebiet der Familienname "Bohm"
daraus, um im nachfolgenden Text Verwechselungen zu vermeiden, werden wir
bei diesem Namen bleiben.

" Bohm" bedeutet nichts anderes als Baum. Im 10./II.Jahrhundert war es üblich,
jeder Person einen Namen zuzuordnen, um eine bessere Unterscheidung vor-
nehmen zu können, zuerst beim Adel, dann bei den bürgerlichen Familien und
zuletzt auf dem Lande. Aus diesen Zuordnungen wurden dann später feste und
erbliche Namen.

Im Verlauf der Jahrhunderte sind die Familiennamen oft verändert worden. In
der Regel nannte man sich, wie man es wollte, schrieb nach dem Gehör oder
machte, als persönliches Zeichen drei Kreuze als Unterschrift. Es gab eben
nichts Festgeschriebenes. Später wurden andere, zusätzliche Bezeichnungen
zusammengefügt, um sich von weiteren Mitgliedern der Familie unterscheiden
zu können, z.B. Bohmhammel oder Nottebohm. Solange ein menschliches
Wesen weder mit dem Gesetz, noch mit der kirchlichen und weltlichen Macht
in irgendeiner Form zusammentraf, war ein Name überflüssig. Wollte es jedoch
an seinen Herrn ein Bittgesuch stellen, einen Landkauf tätigen oder sollte es,
was damals nicht selten war, aufgehängt werden
, brauchte es einen Namen.

Die Bohm's, so ist es über Generationen überliefert worden, erhielten ihren
Namen aufgrund ihrer damaligen überdurchschnittlichen Statur und Kraft, die
einem Baum gleichgekommen sein soll. Es wird sogar behauptet, daß die beiden
Wappenwächter im Wappen des Geschlechts der Hohenzollern, denen die
Bohm's bis zum Ende der deutschen Monarchie treu gedient haben, nachemp-
funden sein sollen. Aus Schleswig-Holstein, woher das Geschlecht der Bohm's
stammen soll, konnte tatsächlich in der Stadt Lübeck ein Conrad Bohm nach-
gewiesen werden, der dort von 1225 - 1300 gelebt hat. Ob aber die Schorfheider
Bohm's aus dieser Linie abgeleitet werden können, i~t heute nicht mehr fest-

stellbar. Durchaus denkbar ist, daß sie sich erst hier selbst diesen Namen gaben
al
s Bewohner und Nutzer des Waldes.

Legenden und Wahrheiten aus Böhmerheide I

Geschrieben von Helmut Suter am . Veröffentlicht in Ortsteil Böhmerheide

 

Legenden und Wahrheiten aus Böhmerheide

von Gundela und Helmut Suter

 

Aus grauer Vorzeit

Sollte irgendwann jemand auf die Idee kommen über die sagenumwobene,
übe
raus interessante Geschichte des Geschlechts der Bohm 's einen Film zu
d
rehen, der sicherlich zum allgemeinen Geschichtsverständnis unseres Landes
Brandenburg beitragen könnte, so muß er weit in die Vergangenheit zurückge-
h
en.

Bereits in der Mittelsteinzeit vor ca. 4 000 Jahren hat es nördlich des Weißen
S
ees erste Spuren menschlichen Lebens gegeben. Nur kann heute niemand
sagen, ob sich unter diesen Jägern und Sammlern schon Vorfahren der späteren
Familien mit dem wohlklingenden Namen Bohm, Baum, Böhmer oder Bau-
mann befanden.

Heute wissen wir nur, dan der Seenkette Kuhpanz-, Weißer-, Papen- und
Treptow- See verschiedene ur- und frühgeschichtliche Siedlungsplätze vorhan-
d
en waren. Die leichten den, das reiche Fisch- und Wildangebot boten eine
id
eale Grundlage für eine menschliche Niederlassung. Es gilt als sicher, daß auf
d
em genannten Areal über Tausende von Jahren eine etwa 300 m x 200 m große,
d
orfähnliche Siedlung bestand, die zwar öfter verlassen, jedoch immer wieder
von neuem besiedelt wurde.

Neben einigen bronzezeitlichen Scherbenstücken sind die Funde aus der Zeit
u
m das 13. Jahrhundert für unsere geschichtliche Wanderung von besonderer
B
edeutung. Überliefert sind die Siedlungen Alt und Neu Gben. Diese Siedlungen sind
j
edoch in späterer Zeit untergegangen und lange wurde darüber nachgedacht,
wo sie sich befunden haben könnten. Erst die bekanntgewordenen Entdeckun-
gen der Herren Eckstein 1934 und Dr. Jahn aus Berlin 1943 brachten erste
Hi
nweise. Sie fanden neben Feuersteinspänen und bronzezeitlichen Tonscher-
ben, auch schwärzliche Stücke von verschiedenen Gefäßen, die dem Mittelalter
zugerechnet werden konnten sowie menschliche Skelette.

Weitere Untersuchungen in den Jahren 1960 und 1966 erhärteten und bestätig-
ten
die Funde. Darüber hinaus konnte der ehemalige Friedhof lokalisiert wer-
den, von dem Pfarrer Steeger in seiner Chronik schreibt, daß er noch 1736
erkennbar war. Am 04.11.1960 stellten die Wissenschaftler fest: "Ohne Zweifel
h
andelt es sich bei dieser Stelle um die wüste Siedlung Alt und Neu Gröben."
Nach den heutigen Erkenntnissen befanden sich 12 HofsteIlen ohne Kirche an
diesem Ort. Kirchlich muß er zu Groß Schönebeck gehört haben, denn 1449

wird eine Mühle "zu der Gröben" erwähnt, die an die Kirche zu Groß Schöne-
beck abgabepflichtig, jedoch nicht m
ehr existent war.

Das führte dazu, daß eine andere Mühle und zwar eine, die vor der Stadt
Liebenwalde stand
, die Abgaben des bereits sten Dorfes Gröben an Groß
Schönebeck leistete
. Ob es sich hierbei schon um den Mühlenstandort bei
Hammer gehandelt hat, ist nicht festzustell
en, aber durchaus möglich.

Interessant ist für uns heute, aus welchem Grund diese Siedlung im Dunkel der
Geschichte untergegangen ist
? Am Nahrungsangebot kann es nicht gelegen
hab
en, eine Feuersbrunst ist ebenfalls nicht nachweisbar. Dies wäre auch kein
Grund, einen Siedlungsplatz zu verlassen, denn im Mitt
elalter brannten häufig
g
anze Dörfer nieder. Es muß etwas anderes gewesen sein, das selbst nachfol-
gende Generationen davon abhielt
, auf diesem alten Siedlungsplatz ein neues
Leb
en zu beginnen.

Die schon erwähnten Untersuchungen aus den 60iger Jahren ergaben bei der
Erforschung des Friedhofs, daß es sich d
abei um Massengräber handelt. Das
bed
eutet, daß ein plötzliches, unvorhergesehenes Ereignis eingetreten sein muß,
vor dem sich der Großteil d
er Einwohner nicht retten konnte. Die Historie hat
bis in unser
e Tage hinein für dieses Gebiet den Namen "Pestgrab" überliefert,
und die Pest kann die Ur
sache für das Massensterben in dem Dorf Gröben
gewesen
sein. Aufgrund der vielen Pestepedemien im Mittelalter, die über die
Mark Br
andenburg zogen, kann heute nicht mit Bestimmtheit gesagt werden,
zu w
elcher Zeit das Dorf Gröben in der Geschichte versank. Wir wissen nur,
daß bereits 1449 die Dorfstätte Gröben wüst w
ar. Hier könnte die Pestwelle von
1389/90 d
en Niedergang des Dorfes nach sich gezogen haben. Es ist jedoch
erstaunlich, daß noch 1736 die Grabstellen als Friedhof zu erkennen waren
.
Unklar bleibt auch die Bezeichnung "Alt und Neu Gröben", demnach hat es ein
ält
eres und ein jüngeres Dorf Gröben gegeben. Die erste mittelalterliche Grün-
dung - Alt Gr
öben - kann nicht lange bestanden haben, auf dieser oder in deren
N
ähe erfolgte kurze Zeit später die zweite Besiedlung - Neu Gröben -, die dann,
wie schon erw
ähnt, der Pest zum Opfer fiel.

Dieses Ereignis führte vermutlich später auch dazu, daß eine Neubesiedlung auf
der gleichen Stelle nicht mehr stattfand. Die Ursachen für das Auftreten der Pest
waren zu die
ser Zeit nicht bekannt, und das führte dazu, daß der Aberglaube
und viele Kulth
andlungen eine bedeutende Rolle im damaligen Leben spielten.
Woher kommt nun die Ortsb
ezeichnung "Gröben"? Die Bezeichnung "Gröben"

leitet sich aus dem slawischen Wort "grob" ab und bedeutet "Graben". Im
heutigen Sprachgebrauch übersetzt, würden wir sagen "das Dorf am Graben".