Geschichte

Großer Bahnhof für UfA – Film

Geschrieben von Rainer Klemke am . Veröffentlicht in Geschichte

Es war ein strahlender Herbsttag Ende Oktober 1938, als sich Hildegard Grabowski mit ihren Klassenkameradinnen des Jahrgangs 1928 von der Gemeindeschule neben der Dorfkirche auf den Weg machte zum Bahnhof. Heute sollten sie, ausstaffiert mit zum Teil extra für diesen Anlass genähten Kleidern, ihren ersten Auftritt haben im neuen Film der Tobis. Vorausgegangen waren Verhandlungen des Produzenten mit der Schulleitung, in der ihr neue Sportgeräte für die Schule als Honorar zugesagt worden waren.

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Programmheft der UFA für den „Salonwagen E 417“ (Repro: Klemke)

Schon seit Tagen war der Filmtross, der im Zeumer’s Gasthof in der Berliner Straße abgestiegen war, seine Technik am Bahnhof aufgebaut, war der „Salonwagen E 417“, der die Hauptrolle im Film spielt, von den UFA-Studios in Babelsberg auf das Bahnhofsgleis gezogen und der Bahnhof „Dingskirchen“ selbst für den Film so ausstaffiert worden, dass aus Berlin kommende Reisende irritiert waren, ob sie an der richtigen Station angekommen seien.

Der Film erzählt die Geschichte eines Salonwagens. Anfangs diente er fürstlichen Familien als Gefährt, wurde dann Quartier eines militärischen Oberkommandos, um dann, ganz abenteuerlich, im Zirkus zu landen. Umfunktioniert zu einer Bar sollte er, endlich ausgedient, als Plakatträger auf einem Abstellgleis landen. Vor diesem traurigen Schicksal rettet ihn ein Museum.

bahnhof heuteBahnhof von Groß Schönebeck heute

Aufgabe der Groß Schönebecker Schülerinnen war es nun, begeistert dem Wagen und seinen Insassen zuzujubeln. Welche der großen Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Ensemble außer Käthe von Nagy, die ebenfalls winkend Abschied nahm, sie dabei zu Gesicht bekamen, ist nicht überliefert. Die Besetzungsliste des Films liest sich aber wie ein Who is Who des damaligen Filmschaffens. Neben den Hauptdarstellern Käthe von Nagy und Paul Hörbiger traten dort u.a. Curd Jürgens, Maria Nicklisch, Hilde Körber, Axel von Ambesser, Hubert von Meyerinck, Tatjana Sais und Ewald Wenck auf. Das Buch und die Liedertexte stammten von Helmut Käutner, Paul Verhoeven führte Regie und stellte selbst einen Drehorgelspieler dar.

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Käthe von Nagy

Hildegard Grabowsky und ihre Klassenkameradinnen lernten, dass die Herstellung eines Spielfilms deutlich prosaischer ist als es auf der Leinwand aussieht. Auf einem Wagen sollten sie das Lied „Hoch auf dem gelben Wagen“ singen. Langes Warten und immer wieder neue Einstellungen prägten den Tag und es sollte am nächsten Tag weitergehen.

Müde trollten sich die Schülerinnen am späten Nachmittag nach Hause, wobei Hildegard stolperte und sich beim Hinfallen das neue gelbe Kleid mit schwarzen Punkten beschmutzte. Als sie dann am nächsten Tag mit einem anderen, eilig hergerichtetem Kleid am Set erschien, erspähte sie Paul Verhoeven sofort und schickte sie nach Hause, das andere Kleid wieder anzuziehen, weil sonst die Einstellungen, die heute zu drehen war, nicht nahtlos mit denen von gestern zusammen zu schneiden waren. Allein, der Weg bis zur benachbarten Rosenbecker Straße 7 wäre ja nicht weit gewesen, aber das Kleid nicht verfügbar, da noch nicht gewaschen. So endete für sie ihr Engagement bei der UFA mit Tränen. Der Film aber wurde erfolgreich abgedreht und lief in allen Kinos.

Reichsprogromnacht in Groß Schönebeck

Geschrieben von Rainer Klemke am . Veröffentlicht in Geschichte

Wenn der Kaufmann Friedmann Leiser in den Friseursalon Feld kam (heute Sparkasse), fanden sich auch immer weitere Männer aus dem Ort ein, wusste man doch, dass er immer gern eine Zigarre spendierte, die er in einem Etui im Gehrock trug. Und Leiser kam täglich, da man damals regelmäßig entweder selbst zum Friseur zum Rasieren ging oder von diesem zu Hause rasiert wurde, da er routinemäßig von Hof zu Hof ging. Bei diesen Friseurbesuchen hörte Leiser auch, was die Kunden so brauchten und besorgte es dann – sei es die Eisenreifen für die zahlreichen Böttcher am Ort oder die Rasierseife für den Friseur. So brauchten die nicht weite Wege –oft zu Fuß – in andere Orte zurücklegen, sondern wurden von ihm teilweise sogar mit dem Fahrrad beliefert.

Bei seinen Kunden war er außerordentlich beliebt, weil man bei ihm anschreiben konnte und er auch immer für die Kinder eine Kleinigkeit bereithielt. Sein Kaufhaus, das vor allem Baumaterialien, aber auch Kleidung und Kolonialwaren anbot, war mit Fässern und Kästen vollgestellt, von der Decke hingen Werkzeuge und andere Geräte – aber es gab alles, was die Handwerker und Familien brauchten. Und wenn es nicht vorrätig war - Leiser schaffte alles heran.

kaufhaus leiser
Kaufhaus Leiser in der heutigen Thälmannstraße 46

Am 9. November 1939, der Reichspogromnacht, in der überall im Land jüdische Geschäfte und Institutionen von den Nazis gestürmt wurden, wurde auch Leisers Kaufhaus von der örtlichen SA, die sich aus Zerpenschleuse Verstärkung geholt hatte, gestürmt und alle Fenster und die Einrichtung zerschlagen. Außerdem wurde das Buch mit den angeschriebenen Schulden gestohlen. Leiser konnte sich mit seiner Familie in den Gasthof der Familie Liepner flüchten und entkam so zunächst. Danach versuchte er, sein Geschäft fortzuführen, allerdings wurde jeder, der bei ihm kaufte von der SA aufgeschrieben, so auch der Bruder von Fritz Ast, der sogar in Uniform weiterhin bei Leiser kaufte. Kurt Peter berichtet, dass sein Klassenkamerad Martin Köhn sich seinem Lehrer gegenüber verwundert zeigte, dass einerseits für einen so genannten „Eintopfsonntag“ zugunsten armer Leute Geld gesammelt wurde, andererseits offenbar mit höchstem Segen bei Leisers alles kaputt geschlagen wurde. Eine befriedigenden Antwort erhielten die Schüler nicht.

Friedmann Leiser wurde schließlich am 4.Januar 1939 vom Landratsamt Niederbarnim der weitere Betrieb seines Geschäftes untersagt. Der mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnete deutsche Soldat des 1. Weltkrieges mochte auch dann noch nicht, nachdem ihm niemand geholfen hatte, sein Dorf und sein Land verlassen und wurde später mit seiner Frau in einem Konzentrationslage umgebracht.

Friedemann Leiser und seine Frau Elise wurden zusammen mit Leisers beiden Schwestern Alma und Flora am 14. April 1942 ins Warschauer Ghetto transportiert und alle dort ermordet. Seine Schwester Jenny Mandelkern, die ursprünglich in Berlin wohnten, wurde mit ihrem Mann in GroßSchönebeck bei der Familie Hübner versteckt. Sie konnten daurch die NS-Zeit überleben und wohnten schließlich in Israel.

Die Gemeinde Schorfheide, Ortsbeirat und Bürgerverein gedachten der Familie Leiser in einer Veranstaltung am 30. März 2015 mit der Verlegung von vier Stolpersteinen durch den Künstler Günther Demnig vor dem ehemaligen Kaufhaus Leiser in der Ernst-Thälmann-Str. 46, die nun als bleibende Erinnerung an diese Groß Schönebecker NS-Opfer dauerhaft erinnern.

 

Hermann Göring und Groß Schönebeck

Geschrieben von Rainer Klemke am . Veröffentlicht in Geschichte

Hermann Göring war nicht nur der zweitmächtigste Mann im NS-Staat und vorgesehener Hitler-Nachfolger, er ist als Begründer der SA und der ersten wilden Konzentrationslager auch ein bedenkenloser und furchtbarer Vollstrecker der NS-Ideologie. Die Gründung der Geheimen Staatspolizei, aus der später das Reichssicherheitshauptamt als die Terrorzentrale des Regimes hervorging, wurde von Hermann Göring veranlasst. Nicht nur in der Verfolgung seiner Gegner ging er über Leichen, sondern sogar in der eigenen Anhängerschaft veranlasste er beim so genannten Röhm-Putsch die Ermordung des SA-Führers und weitere 200 hochrangiger SA-Führer, die ursprünglich auf ihn eingeschworen waren. Er war es, der nach der Reichsprogromnacht 1938 den deutschen Juden eine Geldbuße in Höhe von einer Milliarde Reichsmark aufzuerlegen, er beauftragte Reinhard Heydrich, die Vorbereitungen für eine „Endlösung der Judenfrage“ zu treffen und einen „Gesamtentwurf“ hierfür zu erarbeiten. Hermann Göring war es, der mit dem Aufbau der Luftkriegsschulen nicht nur gegen den Versailler Vertrag verstieß, sondern mit dem rasanten Aufbau der Luftwaffe schon ab 1934 und der Erprobung des mörderischen Flächenbombardements durch die Legion Condor als Ausbildungsmaßnahme der Luftwaffe den Bombenkrieg des zweiten Weltkrieges einleitete, der später dann auf Deutschland zurückschlagen sollte. Hermann Göring ist als ranghöchster deutscher Offizier und Chef der Luftwaffe für den Untergang der deutschen Armeen in Stalingrad verantwortlich und hat bedenkenlos hunderttausende Soldaten in den Tod geschickt. In seinem engsten Umfeld zeigte er sich dagegen leutselig und volksnah, insbesondere in der Schorfheide, seinem liebsten Aufenthaltsort:

„Ich habe viele schöne Gegenden in Europa gesehen, aber am Lebhaftesten bewegt mich wegen ihrer Größe und Schönheit und friedvollen Stimmung die Schorfheide, auf die Ihr stolz sein könnte. Diesen märkischen Wald zu hegen und zu pflegen ist mir wahrhaft heilige Mission. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Schorfheide Europas größter Naturschutzpark wird, den man in der ganzen Welt kennen soll. Kein Gebiet Deutschlands liegt mir so am Herzen wie Eure engste Heimat, für die ich auch in wirtschaftlicher Hinsicht sorgen werde. Uns eint gute Nachbarschaft, aber auch die Verbundenheit unter diesem Siegeszeichen, dem Schicksalzeichen des deutschen Volkes…… Daher Achtung vor diesem Kampf und den alten Kämpfern und vor diesem Kampfeszeichen, das uns vor bolschewistischem Untergang bewahrt hat. Denn das ist die Frage: Hakenkreuz oder Sowjetstern?“ Hermann Göring bei der Fahnenweihe auf dem Sportplatz von Groß Schönebeck.

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Inge Hinze übergibt Göring einen Strauß Kornblumen, den sie auf dem Acker ihres Vaters, wie sie dabei sagte, gepflückt hat. Brigitte Fuckel reicht dem preußischen Ministerpräsidenten die Rotkreuz-Plakette des Sonntags.

Dass die Groß Schönebecker gerade als Folge der NS-Herrschaft beide Zeichen in Folge bekommen sollten, ahnte wohl keiner der festlich herausgeputzten Bürgerinnen und Bürger, die – so sie etwas hatten – in Uniform mit allen Ehrenzeichen auf dem Sportplatz angetreten waren, wie z.B. die Motor- und Reiterstaffel SA von Groß Schönebeck, die Hitlerjugend aus dem Berliner Landschulheim aus Zerpenschleuse und aus Groß Schönebeck, der Bund Deutscher Mädel aus der Gemeinde, der große Männer-Turnverein, der Gesangverein Germania sowie der Krieger- und Landwehrverein waren vor Ort. Feuerwehr und Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrern bildeten das Spalier auf dem Waldweg zum Sportplatz. Neben den Partei- und SA-Führen des Landkreises waren die örtlichen Honoratioren zu Ehren des zweitmächtigsten Mannes des Nazireiches, Hermann Göring, erschienen. An der Spitze der Amts- und Gemeindevorsteher Pankow, der NS-Ortsgruppenleiter und Schulleiter Mühlbach, Ortspfarrer und die Gemeinderäte. Natürlich waren auch zu Ehren des „Reichsjägermeisters“ die Spitzen der Forstverwaltung angetreten, die Oberförsterei Pechteich mit Forstmeister Fuckel und die Oberförsterei Groß Schönebeck mit Forstmeister Berthold. Anlass des hohen Besuches und des Bekenntnisses zur Schorfheide (s.o.) des in hohe Stiefel, Lederhose, grünes, ärmellose Weste und weißes Hemd mit halboffenem Kragen gekleideten Nachbarn aus Carinhall war die Fahnenweihe der örtlichen Parteiorganisation am 11. Juni 1934.

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(Schulleiter und NSDAP – Ortsführer Otto Mühlbach)

Es war ein denkwürdiges „bodenverbundenes Heimat- und Waldfest“ für den Ort, „von dem die Hitlerjungen und –mädels noch ihren Enkeln erzählen werden“, wie das örtlich NSDAP-Organ zu Recht mutmaßte. Das Fest geht auch noch nach der Rede lange weiter, nachdem sich der SA- und Gestapo-Gründer Hermann Göring in das Goldene Buch des Ortes eingetragen hatte und vom Ortsgruppenleiter Mühlbach mit Dankbarkeit für den hohen Besuch und unter vielstimmigen Rufen „Heil SA!“ verabschiedet wurde.

Es gab in der Tat eine enge Beziehung zu dem mächtigen Mann Hermann Göring, der nördlich des Ortes am Wuken- und Döllnsee sein immer weiter ausgebautes Landhaus hatte, das er nach seiner frühzeitig an TBC verstorbenen ersten Frau aus Schweden, Carin, verheiratete Freifrau von Kantzow, geb. Freiin von Fock, benannte und mit seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Emmy Sonnemann immer häufiger bewohnte. Dort fanden viele Groß Schönebecker Arbeit beim Bau, Ausbau und Unterhalt der Liegenschaft, u.a. bei der Errichtung des Bootshauses am Döllnsee nahe dem heutigen Döllnsee-Hotels, das Göring für seinen Leibjäger Willi Schade und seine Jagdgäste errichten ließ. Der große Aufwand für die Jagdfeste und die Staatsjagden, die Göring in der Schorfheide veranstaltete, gab vielen in Groß Schönebeck Arbeit. Göring wusste jedoch auch durch sehr persönliche Belohnungen, z.B. zu Weihnachten, wo er bis zum Fest 1945 persönlich außergewöhnliche Geschenke für jeden herbeischaffen ließ, Bindungen zu erzeugen. Noch heute wird erzählt, wie er das eigentlich eingezäunte Staatsjagdgebiet, das an der Schlufter und der Prenzlauer Straße in Groß Schönebeck mit Wildtoren, die mittels Lichtschranken per Sirenenton das Wild vergraulten und so an der Abwanderung in andere Reviere hinderten, gesichert war, den Groß Schönebeckern wieder zum Holzsammeln öffnen ließ als er hörte, dass arme Familien des Ortes nichts zum Heizen hätten.

1937 ehrte die Schorfheidegemeinde ihren Prominenten Nachbarn Hermann Göring mit einem weiteren großen Festakt auf dem Schönebecker Sportplatz mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde, die er freudig akzeptierte.

Göring fuhr in der Regel in einer kleinen Kolonne von drei Wagen durch Groß Schönebeck, wobei er selbst – so es die Witterung zuließ – in einem offenen Wagen am Steuer saß. Für sich und seine Gäste ließ er Delikatessen aus Berlin heranbringen, was im Ort deshalb nicht vergessen wird, weil eines Abends von einem dieser Küchenwagen die Schülerin Röschen Peter überfahren wurde, die bei Regen in der Nähe des Gasthofes Braune hinter einem Langholzwagen hervor über die Straße gerannt war und von dem Lieferantenauto erfasst wurde.

Die Liebe zur Jagd und zur Schorfheide geht bei Hermann Göring auf seinen ersten Ausflug Ende der 20er Jahre zurück und ist wohl das einzige, was er mit seinem aufrechten Amtsvorgänger, dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von Preußen, Otto Braun, teilte. Dieser hatte bei seinem Antrittsbesuch bei Präsidenten Hindenburg eine überraschend gute Aufnahme gefunden, als er mit dem greisen ostelbischen Junker über die Jagd im Allgemeinen und die Schorfheide im Speziellen fachsimpelte. Das nahm den alten Mann, der wie schon der erste Präsident der Weimarer Republik, Friedrich Ebert, das präsidiale Blockhaus am Werbellinsee für häufige Jagdausflüge in die Schorfheide nutzte, für Braun, der ihm als schlimmer Sozialist angekündigt worden war, sehr ein. Von Otto Braun übernahm Göring später den Entwurf eines vorbildlichen Jagdgesetzes, dessen er sich später rühmte und das auch heute noch im Prinzip gilt

Hermann Göring nutzte seinen Einfluss als preußischer Ministerpräsident und oberster Dienstherr der preußischen Wälder dazu, sich von der preußischen Regierung 100.000 Morgen Wald bei Groß Dölln übertragen zu lassen und begann schon 1933 in nur 10 Monaten die erste Version von Carinhall (Erweiterungen 1936 und 1939) errichten zu lassen. Der Architekt des insgesamt  damalige 600 Mio. Reichsmark (ein Einfamilienhaus kostete damals 5.000 RM verschlingenden Komplexes mit einer halben Million Unterhaltskosten und bis zu 200 Bediensteten „ersten Haus des Reiches“ war Werner March, der auch das Berliner Olympiastadion errichtete. Die Mittel dafür kamen aus den 26 Ämtern, die Göring bekleidete, seinen Bestechungsgeldern als Herrr über die Beschaffungen der Kriegswirtschaft und aus Erlösen seines schwunghaften Kunsthandels mit Raubgut. Durch seine ihm zusätzlich übertragenen Ämter kam Göring schnell zu Wohlstand, außerdem nahm er sich, was ihm gefiel, weshalb alle Museumsdirektoren vor ihm zitterten, da er häufig Bilder, die ihm gefielen, einfach für Carinhall konfiszieren ließ. Durch solche Raubzüge und vor allem Enteignungen von Juden, aber auch einige legale Erwerbungen (die freilich auf Staatskosten) entstand in Carinhall eine Kunstsammlung, die sich mit den großen Museen der Welt messen konnte. Göring hatte vor, - so wie Hitler in Linz – ein bedeutendes Museum zu begründen. In den Genuss dieser Kunstschätze kamen zunächst aber nur die zahlreichen persönlichen Gäste und Staatsgäste, die Göring in den Wäldern von Groß Schönebeck und in Carinhall begrüßte, darunter Prinz August Wilhelm, der vierte Sohn des damals im holländischen Exil lebenden letzten Kaisers Wilhelm II, der als Kronprinz gern in Groß Schönebeck war, der italienische Faschistenführer Benito Mussolini, der Duke von Windsor, der japanische Außenminister Yosuka Matsuola, sein britischer Kollege Lord Halifax, der ungarische Reichsverweser Horthy, der südafrikanische Ministerpräsident Smuts und der Prinzregent Paul von Jugoslawien.

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Göring galt als „einer der besten Büchsenschützen, die ich kennen gelernt habe“ Oberstjägermeister Ulrich Scherping, selbst schwierigste Schüsse seien ihm mit „künstlerischer Sicherheit gelungen“. Sein Jagdneid und seine Trophäengier waren aber sprichwörtlich und er hatte den Ehrgeiz, den stärksten Hirsch Europas zu erlegen. Deshalb reichte ihm das reich von Wild besetzte Schorfheide - Revier nicht aus und er ging in Ostpreußen auf der Rominter Heide auf die Jagd. Zusätzlich ließ im polnischen Bialowiez den dortigen Forst für ein weiteres persönliches Jagdrevier räumen, wobei 100 Siedlungen ohne Rücksicht auf die dort lebenden Menschen allein für diesen Zweck niedergebrannt wurden.

Das wieder errichtete Wiesentdenkmal in Eichhorst erinnert an die Ansiedlung eines großen Wildgeheges nahe der Försterei Wildfang, wo sich später der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker als Jäger nieder ließ (siehe auch unter http://www.grossschoenebeck.de/umgebung/geschichte/107-ddr-prominenz-in-gross-schoenebeck.html ), das von Hermann Göring im Groß Schönebecker Revier betrieben wurde. Im Juni 1934 eröffnete der „Oberste Wildhüter des Deutschen Reiches“ das neue, vom Berliner Tierparkdirektor Dr. Lutz Heck betreute Gehege mit Wildpferden und Wisenten und wohnte der feierlichen Freilassung des riesigen Wisentbullen „Iwan der Schreckliche“ bei. Zu diesem Anlass war neben dem diplomatischen Corps fast das gesamte Kabinett mit Vizekanzler von Papen, Reichswehrminister von Blomberg, Reichsfinanzminister von Schwerin-Krosigk, dem preußischen Justizminister Kerrl, und die Staatssekretäre Lammers, Milch und Körner nach Groß Schönebeck gekommen, wo es nach einer Rundfahrt durch die Schorfheide zu einem Empfang ins Forsthaus Wildfang ging.

Nicht nur die Wisente, sondern auch Löwen hatte Göring in die Schorfheide gebracht. Im Laufe der Existenz von Carinhall wurden dort sieben Löwen als Haustiere groß gezogen, dann in den Berliner oder andere Zoos verbracht und gegen neue Löwenbabys ausgetauscht. Wer Zugang hatte, konnte Hermann und Emmy Göring in der Schorfheide mit einem Löwen an der Leine begegnen. Betreut wurden die Tiere ebenfalls durch Professor Lutz Heck, der ein anerkannter Fachmann für Tierzucht („bei Heck heckte alles“, so die Berliner Presse) war.

Wenige Tage nach der Eröffnung des Wisentgeheges, am 20. Juni 1934, erlebte Groß Schönebeck einen weiteren protokollarischen Höhepunkt mit der Überführung des in Schweden exhumierten Leichnams der ersten Frau von Hermann Göring. Gestapo, SA und SS standen Spalier und sicherten die Durchfahrt durch den Ort. Dazwischen waren die herausgeputzten winkenden Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrern, die Vereine säumten mit ihren uniformierten Mitgliedern und ihren Traditionsfahnen die Strecke, die der Konvoi durch den Ort passierte. Die war auch das einzige Mal, dass Groß Schönebeck Adolf Hitler zu Gesicht bekam. Der war nur wenige Male in Carinhall zu Gast und liebte weder die Jagd noch den protokollarischen Umgang mit Staatsgästen. Das nahm ihm Hermann Göring nur allzu gern ab und konnte sich mit prunkvollen Auftritten in immer neuen Uniformen produzieren.

Ein weiteres Beispiel für seine unersättliche Eitelkeit war auch seine Absicht, so wie der Kaiserbahnhof in Joachimsthal das kaiserliche Jagdschloss am Werbellinsee mit Berlin verbindet, die Bahnlinie über Groß Schönebeck hinaus nach Carinhall verlängern, damit später kunstinteressierte Besucher aus aller Welt seine zusammen geraubten Schätze und die Schorfheide bewundern könnten. Teile des dafür erforderlichen Bahndamms wurden auch fertig gestellt und sind noch heute im Wald nördlich des Ortes zu sehen. Groß Schönebeck blieb aber Endstation der „Heidekrautbahn“.

Mit den fortschreitenden Kriegsniederlagen verließ Göring Carinhall kaum noch und machte es zum Luftwaffenhauptquartier. Ein Netz von unterirdischen Bunkern und Tunneln wurde angelegt, alles mit Tarnnetzen überzogen, eine Carinhall – Attrappe in der Schorfheide errichtet, Flakstellungen aufgebaut und die Reiterstaffel zu Göring Schutz verstärkt. Die Jagdausritte wurden mit drei Reitern mit Maschinenpistolen begleitet und regelmäßige Patrouillen kontrollierten die gesamte Schorfheide.

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Das letzte große gesellschaftliche Ereignis in Carinhall war der 52. Geburtstag von Hermann Göring am 12. Januar 1945, der nochmals mit großem Pomp begangen wurde. Ende Januar 1945 ließ Göring die Kunstschätze mit mehreren Sonderzügen evakuieren. Hitler zog die Fallschirmjäger-Division, die zum Schutz von Carinhall in der Schorfheide lag, zur Verteidigung der „Festung Berlin“ ab. Nach einem Bericht von Albert Speer, der Hermann Göring Mitte Februar besuchte, war dieser nur noch mit dem Einpacken seiner Schätze beschäftigt. Allein ein Sonderzug nach Berchtesgaden soll am 13. April Kunstwerke im Gesamtwert von 200 Millionen Dollar aus Carinhall gebracht haben. Dieser stand dann vier Wochen auf dem Bahnhof von Berchtesgaden bis zur Ankunft der Amerikaner, wobei einiiges von seinem Inhalt in unbefugte Hände gelangte. Göring schickte sein Personal nach Hause, erschoss eigenhändig vier seiner liebsten Bisons. Seine Familie hatte er bereits am 30. Januar 1945 zusammen mit seinem persönlichen Stab in sein Haus am Obersalzberg in Sicherheit gebracht. Göring selbst verließ Carinhall am 20. April 1945 und fuhr mit seinem Gefolge zu Hitlers 56. Geburtstag nach Berlin, um von dort dann weiter die Flucht nach Berchtesgaden anzutreten. Zurückgelassen hatte allerdings den Sarg mit den Überresten seiner ersten Frau Carin, deren Gebeine später eingesammelt, identifiziert und in zwei weiteren Beerdigungen in Schweden bestattet wurden. Das Luftwaffen-Wachbatallion von Carinhall unter Hauptmann Frankenberg blieb mit dem Auftrag zurück, die schon verminten Gebäude am Vormittag des 28. April 1945, als die sowjetischen Truppen schon Groß Schönebeck einnahmen, mit Fliegerbomben zu sprengen und den Russen nur noch rauchende Trümmer zu hinterlassen. Aus diesen Überresten bedienten sich die Bewohner der umliegenden Dörfer, die z.T. gegen Bezugsschein bis 1953 alles Verwertbare abtransportierten und in ihren Häusern verbauten.

Die Ehrenbürgerschaft für Hermann Göring, der sich während der Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg selbst gerichtet hatte, wurde ihm durch die Gemeinde Groß Schönebeck erst nach der Wiedervereinigung aufgrund der heimatgeschichtlichen Forschungsergebnisse von Helmut Suter abgesprochen.

Die Schorfheide ist heute eines der größten Biosphärenreservate in Europa und der Ort ist wieder ein Tor zur Schorfheide, die nun jedermann genießen kann, auch wenn er kein Parteifunktionär oder Staatsmann/frau ist. Und wer Wisente, Elche, Wölfe und andere Wildtiere sehen will, kann dies im Wildpark von Groß Schönebeck in einem Landschaftspark tun, der für jedermann zugänglich ist.

Hinweis:

In der Bibliothek des Bürgervereins Groß Schönebeck im Bürgerhaus, Rosenbecker Str. 1a, befindet sich umfangreiche Literatur zur Biografie und den Verbrechen von Hermann Göring (Öffnungszeiten donnerstags von 15 bis 18 Uhr), u.a. auch die Publikation von Volker Knopf und Stefan Martens "Görings Reich - Selbstinszenierungen in Carinhall". Der Bürgerverein Groß Schönebeck setzt sich schon seit langer Zeit dafür ein, dass auf dem Hirschplatz auf dem Gelände von Görings einstigem Palast eine Infotafel die zahlreichen Gäste und Wanderer informiert, an welchem Ort der Zeitgeschichte sie sich befinden und auf die Ausstellung im Schorfheidemuseum verweist.

Mehr zur politischen Geschichte der Schorfheide in der Ausstellung "Jagd und Macht in der Schorfheide" in der Schlossscheune im Schlosspark Groß Schönebeck (am Jagdschloss) sowie unter

http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/geheimnisvolle-orte-3-die-schorfheide-das-jagdrevier-der-maechtigen-100.html

 

Brandwache in Groß Schönebeck

Geschrieben von Rainer Klemke am . Veröffentlicht in Geschichte

Groß Schönebeck war seit den Brandschatzungen im 30jährigen Krieg immer wieder Schauplatz großer Brände. Der sommerlich trockene Wald rund um den Ort, Blitzschlag und auch der Funkenflug der Holzheizung waren Gefahrenquellen, die viele Häuser in Flammen aufgehen ließen. Außerdem brannten häufig die selbstgebauten Ställe, da es üblich war, die Asche auf den Mist zu kippen.

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Die 1903 gegründete Freiwillige Feuerwehrtruppe von Groß Schönebeck auf einem Foto von1906:

1. R.v.l.: Carl Wreh (Gastwirt), Albert Fischer (Malermeister), Gottlieb Grassow (Bauer), Rudolf Schröder (Klempner), Karl Henne,?, Fritz Keil, 2. R. v.l.: ?, Paul Gerhard (Stellmachermeister), Gustav Foederer, Wilhelm Bohm, Daesler, Emil Peter, Hermann Eßling, August Brüning, Rudolf Gerhard, Heinrich Suchrow (Arbeiter), 3. R. v.l.: Johannes Maaß (Drogist), Paul Zeumer (Gastwirt), Paul Gerber (Landwirt), Georg Liepner (Gastwirt), Hermann Schröder (Zimmerermeister), Wilhelm Pete (Landwirt)r, Ferdinand Graef, Fritz Leeske (Bauer), Paul Müller

 

Dies führte einerseits dazu, dass Anfang des 19. Jahrhunderts nach einem schrecklichen Brand eine Aussiedlung vieler Bewohner nach Klandorf eingeleitet wurde – um zwischen den Häusern im Ort einen Sicherheitsabstand zu bekommen, andererseits zu einer ständigen Brandwache, die nachts von einem Nachtwächter übernommen wurde. Dieser musste in regelmäßigen Runden das Dorf abschreiten und nach dem Rechten sehen und ansonsten auf dem Lindenplatz in seinem Wachhäuschen Wache halten. Sobald der Nachtwächter ein Feuer entdeckte, hatte er in sein Horn zu stoßen und durch Rufen die Einwohner zu wecken. Dann musste der Küster auf den Kirchturm steigen und so lange die kleine Glocke läuten, bis das Feuer gelöscht und keine Gefahr mehr bestand. Alle Einwohner hatten sich gleichzeitig mit allen Gefäßen, in der Regel waren es hölzerne Eimer, an den Brunnen einzufinden, um in einer Kette mit Wasser gefüllte Eimer zur Brandstelle durchzureichen und ständig den Wasserkasten der Spritze nachzufüllen. Bei Gewitter hatte man sich sofort nach Hause zu begeben, um bei einem möglichen Blitzeinschlag zum Löschen zur Verfügung zu stehen.

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Feuerwehrübung am Gasthof Liepner

Mehr über die Brandbekämpfung in Groß Schönebeck und die Geschichte der Feuewehr findet sich in der Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr „Wasser marsch!“ von Helmut Suter.

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Kleine Feuerglocke im Kirchturm von Groß Schönebeck

Der bekannteste der Schönebecker Gemeindediener, Nachtwächter und Ausrufer war vor dem ersten Weltkrieg der „dicke“ Fritz Miersch. Mit seinen 150 kg Lebendgewicht war er eine überaus eindrucksvolle Persönlichkeit, aber auch ein Gegenstand zahlreicher Streiche der Dorfjugend. Nach einer „Hochzeitsvisitation“ soll er eines Abends in seinem Schilderhaus stehend eingeschlafen sein. In der Feuerwehrchronik von Helmut Suter wird darauf hingewiesen, dass sich der Feuerwächter „Sonntags in Krügen und Wirtshäusern, wo Hochzeiten, Kindelbier oder andere Lustbarkeiten sind, auch wo stark gebrand und Branntwein gebrannt wird, sich fleißig sehen zu lassen“ hatte. Da kam dann schon das eine oder andere Gläschen oder auch der eine oder andere Humpen in die Kehle des Nachtwächters zur Löschung des inneren Brandes. Fritz Miersch muss so von Speis und vor allem Trank mitgenommen gewesen sein, dass böse Buben die Vorderseite des Schilderhauses zunageln konnten, ohne dass dabei erwachte. So konnte er erst am frühen Morgen befreit werden. Andere erzählen, dass er schwer angeheitert nach seinem Rundgang eingeschlafen war und ihn die Dorfjugend mitsamt seinem Schilderhaus umkippte. Da das Haus mit der Öffnung nach vorn am Boden lag, konnte sich Miersch angesichts seines Eigengewichtes nicht selbst befreien und musste auch hier bis zum Morgen ausharren.

Miersch zog um abends durch das Dorf und sang die Zeit aus: „Liebe Leute lasst Euch sagen, unsere Uhr hat 10 geschlagen. 10 Gebote setzt Gott ein, dass wir soll’n gehorsam sein.“ Er hatte auch das Amt des Ausrufers, der die Bekanntmachungen der Gemeinde zu verkünden hatte. Die Kinder wurden nach draußen geschickt, um zu hören, was es Neues gab. Manche hatten Scheu vor der lauten Stimme und horchten lieber hinter der Tür. Gab es eine Versammlung oder Veranstaltung in einer der zahlreichen Gaststätten des Ortes, wartete Fritz Miersch, bis alle nach Hause gefunden hatten und löschte dann das Straßenlicht.

Als Gemeindediener war er auch für den Friedhof zuständig und pflegte das Kriegerdenkmal auf dem Lindenplatz. Angesichts seiner nächtlichen Dienste war er dabei gelegentlich sehr müde, so dass es ihn hinter die Fliederhecke zog. Dort entschlummerte er nach einem tiefen Schluck aus seiner Gießkanne selig und das war wegen seines nachhaltigen Schnarchens über mehrere Gehöfte hinweg zu hören.


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